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Generative KI, eine Massendesinformationswaffe

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„Google will do the Googling for you“ – lassen Sie Google für Sie Dinge über Google googeln. Von dieser niedlichen Formulierung sollten Sie sich nicht täuschen lassen: Das ist keine Einladung. Es ist eine einseitige Aktualisierung der Bedingungen des Sozialvertrags, den wir mit dem US-amerikanischen Riesen geschlossen haben.

Am 14. Mai beschloss Google auf seiner jährlichen Keynote Google I/O, auf der das Wort „KI“ in zwei Stunden 121 Mal ausgesprochen wurde, dass sich das Paradigma der Informationssuche geändert hat.

Die erste Explosion: In der Standardansicht der Suchmaschine ist es nun Gemini, Googles großes Sprachmodell (LLM), das die Ergebnisse organisiert und spontan Überschriften und Textauszüge generiert. In anderen Worten wird die Google-Suchseite (noch ein bisschen mehr) wie ein Feed eines sozialen Netzwerks verwaltet, in dem die Hierarchie der Informationen durch algorithmische Vermittlung entschieden wird.


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Sie wissen es nicht, weil Google darauf verzichtet hat, Ihnen eine große Warnmeldung anzuzeigen, aber die Veränderung hat bereits stattgefunden. Das Paradigma hat sich bereits geändert. Willkommen am ersten Tag des Rests unseres digitalen Lebens, an dem das generative KI-Portal Google gerade eine „Suchmaschinen“-Option hinzugefügt hat.

In ein paar Wochen oder Monaten wird der obere Teil Ihrer Google-Suchseite mit „KI Overviews“ überschwemmt sein, eine Art kurzer Informationszusammenfassungen, die automatisch von Gemini generiert werden. Google weist darauf hin, dass die Software selbst entscheidet, wann ein Eingriff in Ihre Suche vorgenommen werden soll. Wie soll das geschehen? Welche Gründe gibt es dafür? Nach welchen Kriterien? Die Wege der magischen KI sind unergründlich.

In der wunderbaren Welt der Demo sehen wir, wie Nutzer*innen in natürlicher Sprache mit der Suchmaschine kommunizieren und sie um Dinge bitten wie „Erklär mir, wie die Temperatur das Kochen beeinflusst“ oder „Schlage mir einen einwöchigen Ernährungsplan für einen Studierenden mit wenig Geld vor“. Die Interaktionen sind natürlich, reibungslos, und die Antworten perfekt. Willkommen zum ersten Tag des Rests Ihres digitalen Lebens, an dem Sie mehr Zeit damit verbringen, mit Ihrer automatisierten Suchmaschine zu sprechen als mit anderen Menschen. Das einzige Problem ist: Diese Zukunft gibt es nicht, hat es nie gegeben und wird es auch nie geben.

Was Google gerade getan hat, ist typisch für die aktuelle Vorgehensweise des Silicon Valley – die großspurige Ankündigung einer hypothetischen Zukunft, eines utopischen Gebildes, auf das die Presse und die Öffentlichkeit mit feuchten Augen starren werden, um die gewaltsamen strukturellen Veränderungen unserer Informationsökosysteme zu verschleiern und ihre Analyse im gesellschaftlichen Kontext so weit wie möglich zu neutralisieren. Wie wird das strukturelle Update von Google, seit 25 Jahren unser gemeinsamer Web-Index, unsere Nutzung verändern, und welche Folgen werden sich für die Machtverhältnisse zwischen dem Silicon Valley und der Zivilgesellschaft ergeben?


Nach den Bewertungskriterien liegt die Fehlerquote der derzeit besten Software, GPT-4, zwischen 2,5 % und 25 %. Diese Irrtümer sind äußerst plausibel, werden selbstbewusst vorgetragen und sind daher noch gefährlicher als klassische Fake News


Wir wollen uns zunächst durch den Nebel des Bullshit kämpfen. Wie auch der Rest des Silicon Valley verkauft uns Google ständig eine KI, die es nicht gibt, eine verlogene, fiktive KI, die zur Marketingroutine geworden ist. Im Jahr 2018 enthüllte die Firma einen phänomenalen Sprachassistenten namens Duplex, der in der Lage war, für Sie Telefonanrufe zu tätigen. Die Demo war wahrscheinlich falsch, und der Dienst war in Wirklichkeit ... ein Callcenter.

OpenAI, Microsoft und andere machen das Gleiche. KI ist kein Wettrüsten, sondern ein Wettbewerb der Gaukler*innen, angesichts dessen standardmäßige Skepsis zur einzigen gesunden Haltung wird. Es gibt absolut keinen Grund zu glauben, dass das, was Google uns zeigt, den Stand der Technik der Produkte des Unternehmens widerspiegelt. Dafür haben wir gute Gründe, zu glauben, dass wir gerade einen Werbespot gesehen haben. Warum? Weil die Demo die beiden Dinge verspricht, die generative KI-Software strukturell nicht liefern kann: Zuverlässigkeit und Vollständigkeit.

Nach den Bewertungskriterien liegt die Fehlerquote der derzeit besten Software, GPT-4, zwischen 2,5 % und 25 %. Diese Irrtümer sind äußerst plausibel, werden selbstbewusst vorgetragen und sind daher noch gefährlicher als klassische Fake News. In der Branche spricht man von Halluzinationen. Der Begriff, der zugleich magisch, niedlich und stark neutralisierend ist, hat vor allem die Funktion, den Regulierungsbehörden die politische und soziale Realität zu verbergen: Die generative KI ist eine Massendesinformationswaffe. Und damit ist sie das denkbar schlechteste Instrument, das man als Online-Nachrichtenportal einsetzen kann. Wenn Ihnen eine Fehlerquote von 2,5 % gering erscheint, bedenken Sie, dass die Suchmaschine Google 8,5 Milliarden Suchanfragen beantwortet ... pro Tag. Das ergibt eine Menge Fake News.

Halluzinationen sind unvermeidlich. Sie sind eine strukturelle Eigenschaft dieser Systeme. Sie können nicht repariert werden. Das weiß die Branche ganz genau.

Die Suche per KI ist eine Katastrophe, fasst „The Atlantic“ zusammen. Bereits im Februar 2023 versuchte Google uns zu zeigen, dass sein Chatbot Bard seine Suchmaschine ersetzen kann – erste Demo, erstes Desaster, das die Marktkapitalisierung um 100 Milliarden Dollar schrumpfen ließ.

Ende 2023 wurde bekannt, dass der Chatbot Bing, den Microsoft (Eigentümer von OpenAI) mit katastrophalen Ergebnissen in seine Suchmaschine integriert hat, in einem von drei Fällen Wahlergebnisse halluziniert und nicht einmal in der Lage ist, das Jahr korrekt anzugeben – nicht den Tag oder die Uhrzeit, nein, das Jahr.

Nach elfmonatigen Tests erweist sich die durch KI „erweiterte“ Suchmaschine Google Search Generative Experience als weniger zuverlässig als die herkömmliche Suchmaschine

Angesichts dieser Menge an anekdotischen Beweisen glaubt Google, sich aus der Affäre ziehen zu können, indem die kurzen Absätze mit einer kleinen Vignette mit der Warnung „Generative KI ist experimentell“ versehen werden. Damit soll uns gesagt werden, dass wir die von Google bereitgestellten Informationen überprüfen sollen. Mithilfe von ... Google? Willkommen in der Zukunft des Online-Zugangs zu Informationen, in der alles als falsch zu betrachten ist – es sei denn, Sie können das Gegenteil beweisen.

Allerdings schlagen wir uns inzwischen schon seit zwei Jahren mit generativer KI-Software herum, ohne dass auch nur der geringste Nutzen für die Zivilgesellschaft erkennbar ist. Nachdem in drei Jahren 330 Milliarden Dollar ausgegeben wurden, wirkt sie immer noch wie eine Krebserkrankung auf die Datenverarbeitung, wie eine Ölpest von Informationen, die alles, was sie berührt, verschlingt und zerstört. Überall, wo sie eingesetzt wird – in der wissenschaftlichen Forschung, in der Justiz, in der Presse – bröckelt die Konsensrealität und die Qualität der Informationen leidet.

Und als ob das noch nicht genug wäre, kostet jede Suche mit Hilfe von KI das Unternehmen etwa zehnmal mehr als eine herkömmliche Suche. Das geht so weit, dass Google jetzt in Erwägung zieht, uns für die Nutzung seines automatisierten Desinformationsdienstes bezahlen zu lassen.

Und genau da habe ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Denn wenn ich es richtig verstehe, sabotiert Google gerade fröhlich sein seit 25 Jahren führendes Produkt, sein Kronjuwel, sein stärkstes Monopol. Ein kostenloses Produkt, das täglich von zwei Milliarden Menschen genutzt wird und dem Unternehmen im Jahr 2023 gerade 175 Milliarden Dollar eingebracht hat. Ein Produkt, aus dem ein Verb entstanden ist, auf dem Google seine Identität, seinen Einfluss und seine Macht aufgebaut hat.

Ein Produkt, das zum Synonym für das Internet des 21. Jahrhunderts geworden ist. Das Unternehmen sabotiert es gerade, um uns ein mieses, kostenpflichtiges, aus Sicht der Energiebilanz katastrophales Tool anzubieten, mit dem es Geld verliert, das seinen Energiefußabdruck in die Höhe treibt (der von Microsoft ist im Jahr 2023 um 30 % gestiegen), das alles, was es berührt, unwiederbringlich beschmutzt und das die Menschen im wirklichen Leben schnell wieder aufgeben, da es keinen konkreten Nutzen hat.

Ende 2024 wird das mit KI gedopte Google einer Milliarde Menschen zur Verfügung stehen, verspricht Alphabet. Wenn Ihnen das nicht gefällt, wechseln Sie den Browser – solange es noch welche gibt. Google verschreibt sich seinerseits der kapitalistischen Eschatologie. Hinter dieser generativen KI-Offensive schimmert eine schumpeterianische Zerstörung der digitalen Realität durch. Google wird Google absichtlich zerstören.

In diesem Stadium ist Googles Vorhaben durch und durch apokalyptisch. Dank der Arbeit von Olivier Ertzscheid, der das Biest (fast) seit seiner Geburt analysiert, verstehe ich, dass Google während der letzten 25 Jahre versucht hat, das semantische Web, das es mit aufgebaut hat, zu kontrollieren. Zuerst, indem es Wörter in Waren verwandelte, deren Wert je nach Nachfrage im großen Markt der Online-Werbung schwankt, und dann, indem es dem Rest des Internets diesen Sprachkapitalismus aufzwang. Wir haben das SEO genannt, Search Engine Optimization.

Die richtigen Wortkombinationen brachten Ihnen Traffic, Werbung und Geld ein. Schon vor der generativen KI war Google zu einer Suchmaschine geworden, die für die Suchmaschine optimierte Websites anzeigte. Wir waren nicht mehr das Ziel; das Ziel war der Algorithmus.

Seitdem versucht Google, eine Website zu werden, die man nicht mehr verlässt, eine Art Web-Betriebssystem. Die Besessenheit des Unternehmens das „Zero-Click“-Ergebnis, bei dem Google Ihnen auf Google antwortet, ohne dass Sie Google verlassen müssen.

Mit dem Wechsel vom semantischen zum synthetischen Web und nachdem es alles, was das Web an öffentlich zugänglichen Texten hervorgebracht hat, zusammengekratzt hat, fühlt sich Google bereit, die Websites, die es seit 25 Jahren indexiert, durch seine Maschinen zum Auswürgen von Informationspolyester zu ersetzen und seine Nutzer gegen Maschinen zum Navigieren dieses Müllbergs auszutauschen. Roboter stellen Fragen, Roboter produzieren Antworten.

Aber wer produziert die Informationen, die die Roboter zusammenfassen, und was passiert, wenn sich Googles eingemauerter Garten über unseren Köpfen hermetisch versiegelt? Diese Frage stellt sich Google nicht. Google braucht uns nicht mehr. Der Vertrag mit den Menschen im Internet – Traffic und Verlinkung gegen Werbeverwertung – ist null und nichtig. In den nächsten Monaten wird ein (weiteres) wirtschaftliches Gemetzel stattfinden.

Google besitzt 90,1 % des Marktes für Online-Suche. Google ist ein Monopol. Es hat weder Angst vor Regulierung, noch vor Wettbewerb oder geschäftlichem Misserfolg. Es muss nicht einmal mehr darauf achten, dass sein Dienst zuverlässig ist. Google kann sich ohne mit der Wimper zu zucken selbst verstümmeln.

Das semantische und das synthetische Web lösen sich in Googles monopolistischem Web auf. Ob Sie es wollen oder nicht, wird Google für Sie auf Google Dinge schlecht googeln. Google wird die Welt für Sie so zusammenfassen, wie es will. So ist das bei Monopolen.

Verlassen Sie Google.

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1imageFadi Abou Hassan- voxeurop